Die prominenteste und auch am meisten zitierte Entscheidung ist das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29.05.2013 (Az: IV ZR 165/12).

Der Versicherer ist zur Korrespondenz verpflichtet

Der vierte Zivilsenat hat eindeutig klargestellt, dass Versicherungsunternehmen gegenüber den Bevollmächtigten ihrer Kunden auskunftspflichtig sind. Im Leitsatz steht:

„Den Versicherer trifft eine vertragliche Nebenpflicht, auf Verlangen seines Versicherungsnehmers mit einem von diesem umfassend bevollmächtigten Vertreter Schriftwechsel im Rahmen eines Versicherungsverhältnisses zu führen, es sei denn dass dies dem Versicherer aus besonderen Umständen im Einzelfall unzumutbar ist.“

Im Klartext heißt das, dass bestimmte Bedingungen gegeben sein müssen, damit den Versicherer diese Korrespondenzpflicht auch trifft. Dazu zählen:

1. Umfassende Bevollmächtigung

Schaltet ein Versicherungskunde einen Interessenvertreter ein, beispielsweise einen Versicherungsmakler, oder auch einen Versicherungsberater oder Rechtsanwalt, dann ist dieser mit einer umfassenden Vollmacht auszustatten, aus der hervorgeht, dass er den Versicherungskunden in allen bestehenden Versicherungsangelegenheiten vertreten und hinsichtlich bestehender Verträge die Korrespondenz führen soll. Dem Versicherer ist das in eindeutiger und unmissverständlicher Weise mitzuteilen (Rn 18).

Die Vollmacht muss deshalb umfassend sein, weil es dem Versicherer im Massengeschäft nicht aufgegeben werden kann, in jedem Einzelfall die Reichweite und den Umfang einer Vollmacht zu überprüfen (Rn 17).

2. Kein unzumutbarer Mehraufwand

Das Auskunfts- und Informationsersuchen des vom Versicherungskunden eingeschalteten Vertreter darf keinen unzumutbaren Mehraufwand beim Versicherer verursachen (Rn 14).

Der Anspruch auf Auskünfte und Informationen des Bevollmächtigten ist dabei nicht umfangreicher, als der Anspruch des Versicherungskunden selbst. Sollten die erbetenen Informationen dem Kunden bereits vorliegen, dann ist der Versicherer nicht verpflichtet, sie dem Vertreter nochmals zu erteilen. Betroffen sind davon alle Auskünfte über vorhandene Verträge, Leistungsübersichten, Fälligkeiten, Beiträge, Schadenquoten, Schadenaufstellungen, etc. (Rn 20).

3. Begründeter Einzelfall

Es können wichtige Gründe gegen die Korrespondenz mit einem Bevollmächtigten des Versicherungskunden sprechen, wenn dieser beispielsweise in der Vergangenheit für den Versicherer als Ausschließlichkeitsvertreter für ihn tätig war. Dem Versicherer ist in diesem Fall nicht zuzumuten mit dem ehemaligen Mitarbeiter in dieser Art und Weise zusammenzuarbeiten (Rn 16).

Ein weiterer begründeter Einzelfall ist bei der Vorlage einer Ausschnittsvollmacht anzunehmen, da es dem Versicherer nicht zugemutet werden kann, jedes Mal die Reichweite und den Umfang der Vollmacht prüfen zu müssen (Rn 17).

Rechte des Versicherungskunden werden gestärkt

Der vierte Zivilsenat hat mit dieser Entscheidung festgestellt, dass der Versicherungskunde ein berechtigtes Interesse hat, einen Dritten mit der Vertretung seiner Versicherungsangelegenheiten zu betrauen. Das ergibt sich insbesondere dann, wenn es ihm als Kunde an der nötigen Sachkunde fehlt, oder aufgrund von Krankheit oder Alter, oder bei längerer Abwesenheit. In diesen Fällen kann er einen Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftrage (Rn 12) und der Versicherer muss die Entscheidung seines Kunden respektieren (Rn 11).

Umfang der Korrespondenz

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil auch den Umfang der Korrespondenzverpflichtung geregelt. Danach muss der Versicherer keine Auskünfte doppelt erteilen. Liegen dem Versicherungskunden bereits Informationen zu vorhandenen Verträgen, Leistungsübersichten, Fälligkeiten, Beiträgen, Schadenquoten, Schadenaufstellungen, etc. vor, dann hat der bevollmächtigte Vertreter keinen Anspruch auf eine nochmalige Zusendung.

Vor allem, wenn es um Vertragsunterlagen – wie Police oder die Versicherungsbedingungen – geht, wurden sie dem Kunden bereits mit dem Versicherungsbeginn zugeschickt. Genau in diesem Punkt scheint nun die höchstrichterliche Rechtsprechung mit dem Gesetz zu kollidieren. Denn gemäß § 7 Absatz 4 VVG hat man als Versicherungskunde, während der Vertragslaufzeit eine Abschrift der Vertragsbestimmungen und der Allgemeinen Versicherungsbedingungen von seinem PKV-Anbieter zu verlangen. Da sie dem Versicherungskunden aber bereits vorliegen, verneint der BGH einen neuerlichen Anspruch auf Zusendung an den Vertreter des Kunden.

Vielleicht kann der Vertreter diese Unterlagen nicht verlangen. Aber auf jeden Fall hat der Versicherungskunde ein Anrecht darauf, sie erneut zu fordern, zumal es grundsätzlich nicht auszuschließen ist, das Unterlagen im Laufe von Jahren abhandenkommen.

Insoweit betrifft die oben angeführte Rechtsprechung nur das erneute Versenden von Unterlagen an einen Interessenvertreter und bezieht sich nicht auf den sich aus dem Gesetz ergebenden Anspruch des Versicherungskunden an sich.

Rechtsprechung wird missbraucht

In der Privaten Krankenversicherung wird dieses Urteil gerne herangezogen, wenn sich ein Versicherungsmakler, ein Versicherungsberater oder auch ein Rechtsanwalt im Zusammenhang mit einem Tarifwechselbegehren an den PKV-Anbieter wendet, um Auskünfte zum bestehenden Vertrag eines Mandanten und Umstellungsberechnungen anzufragen.

Dabei ist der Grund für die Auskunftsverweigerung immer die Behauptung des Versicherers, dass die Vollmacht nicht umfassend sei. Tatsächlich reicht manchen Versicherern allein bereits der Verdacht, es könne sich um ein Tarifwechselbegehren handeln, um Auskunft und Schriftwechsel zu verweigern, wenn nur Vertragsauskünfte erbeten werden.

Der BGH hat aber die Korrespondenzpflicht eindeutig bejaht und dem Versicherer eine Verweigerung nur in engen Grenzen ermöglicht. Der Einzelfall ist zu begründen. Pauschal zu behaupten, dass eine vorgelegte Vollmacht nicht umfassend sei, reicht hier nicht aus. Im Gegenteil ist die Behauptung absurd, wenn der Versicherungskunde nur einen einzigen Vertrag bei diesem PKV-Anbieter hat.

In dem Wissen, dass die angeführte Argumentation auf wackeligen Beinen steht, berufen sich in der Zwischenzeit auch einige PKV-Anbieter auf ihre Beratungspflicht, die sich aus § 6 Absatz 4 VVG ableiten lässt. Hieraus ergibt sich, dass der Versicherer auch nach Vertragsabschluss zur Beratung seines Kunden verpflichtet ist, sofern er einen Beratungsbedarf erkennen kann.

Im Klartext heißt das: Der Versicherer verweigert die Korrespondenz, weil er gesetzlich verpflichtet ist seinen Versicherungskunden zu beraten und die Einschaltung eines Bevollmächtigten lässt ihn den Beratungsbedarf seines Kunden erkennen.

Abhilfe: Beratungsverzicht erklären

Der Versicherungskunde kann laut Gesetz auf die Beratung durch seinen Versicherer verzichten. Gemäß § 6 Absatz 4 Satz 2 VVG muss der Beratungsverzicht schriftlich erklärt werden.

Auch der BGH weist auf diese Möglichkeit hin und führt aus, dass eine Beratung durch den Versicherer überflüssig erscheint, wenn der Vertreter des Kunden auch über die entsprechende Sachkunde verfügt (Rn 21).

Gerade die Versicherer, die sich auf ihre Beratungsverpflichtung berufen, um Korrespondenz und Schriftwechsel mit dem Vertreter des Kunden zu verweigern ändern ihr Verhalten nach dem schriftlich erklärten Beratungsverzicht und erteilen die angefragten Auskünfte.

Keine Regel ohne Ausnahme

Allerdings gibt es einen PKV-Anbieter, der sich selbst davon nicht überzeugen lässt. Er steht auf dem Standpunkt, seinen Kunden bevormunden zu müssen.

Er weist nicht nur die Vollmacht des Interessenvertreters zurück (und ignoriert damit ganz bewusst die abgegebene Willenserklärung seines Kunden), sondern darüber hinaus missachtet er die schriftlich abgegebene Erklärung, dass sein Kunde in diesem Fall nicht von ihm beraten werden will.

Betroffene Kunden sind über das Verhalten ihres Versicherers zutiefst verärgert und das führt in der Folge dazu, dass sich die Unzufriedenheit seiner Kunden dadurch noch deutlich steigert. Eine Änderung im Verhalten bewirkt das aber nicht, denn offenbar geht es im weder um Zufriedenheit noch um den Kunden selbst.

Anmerkung: Der Tarifwechsel nach § 204 VVG ist im freien Markt ein lukratives Geschäftsfeld geworden und kann je nach Lage des Falles für den Versicherer und seinem Kunden mit nicht reparablen Nachteilen verbunden sein. Keiner der Marktteilnehmer möchte seine gesetzlichen Auflagen verletzen, benachteiligt oder ungerechtfertigt verantwortlich sein. Und es menschelt dabei, auch bei manchen Unternehmen, bei manchen noch mehr. Klare faire und vertrauensbildende Kommunikation führt auf den Weg zur Lösung.

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