Obwohl die Bedeutung von Mindfulness (Achtsamkeit) sich bis auf die Zeiten Buddhas zurückführen lässt und das Erleben des aktuellen Moments in größter Aufmerksamkeit als eine der ältesten Praktiken in der Geschichte der Menschheit gilt, wird der Begriff Achtsamkeit auch heute noch eher spärlich im deutschen Sprachgebrauch genutzt.

Entspannungstechniken wie Meditation oder der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion (MBSR) eilt hingegen der Ruf voraus, nützliche Mittel zu sein, um Körper und Geist besser auf Stress einzustellen. Schon seit einigen Jahren setzen Top-Manager und CEOs im US-Tech-Eldorado Silicon Valley auf diese „Werkzeuge“.

Ihr Credo lautet:

Wer Leben und Arbeiten in Einklang bringen möchte, muss mindestens einmal am Tag auf die Bremse treten und den Blick nach innen richten. Durch solch eine achtsame Unternehmensführung soll zudem weniger Druck auf Angestellte ausgeübt werden. Diesen Trend hat 2012 der Suchmaschinen-Gigant Google losgetreten. Seitdem gilt Achtsamkeit auch als wesentlicher Gegenpol zur Digitalisierung, durch die das Arbeitsleben zunehmend beschleunigt wird.

Durch Achtsamkeit den Stresslevel senken, Produktivität fördern

In dem Programm „Search Inside Yourself“, das Google 2007 unter anderem zusammen mit Jon Kabat-Zinn, dem Erfinder der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion (MBSR) entwickelt hat, wurde Führungskräften zunächst Achtsamkeit, emotionale Intelligenz und Resilienz (die Fähigkeit Rückschläge zu überwinden) in einem zweitägigen Seminar nahegebracht. Das Programm hat sich mittlerweile zur beliebtesten Fortbildung des Internetriesen Google entwickelt. Es wird weltweit von namhaften Unternehmen wie BASF, SAP oder Bosch adaptiert.

Galten Achtsamkeit und Meditation lange Zeit als esoterische Spinnereien, wandelte sich diese Bild bald. Nachdem sich auch renommierte Forschungseinrichtungen wie die Harvard Medical School, die medizinische Fakultät der amerikanische Elite-Universität Harvard, dem Thema annahmen. Inzwischen herrscht weitgehender Konsens darüber, dass sich Achtsamkeitsübungen (wie Meditation) positiv auch auf die Gesundheit von Arbeitnehmern auswirken können.

Stress reduzieren:

Wer regelmäßig meditiert, kann beispielsweise Stress, Ängste oder Selbstzweifel reduzieren. Das haben auch immer mehr Arbeitgeber erkannt und erstatten ihren Mitarbeitern etwa die Kosten für populäre Meditations-Apps. Dazu zählt auch Headspace mit seinen mehr als 60 Millionen aktiven Nutzern. Wer über die App regelmäßig meditiert, kann beispielsweise lernen, wie man in Stresssituationen besonnener reagieren kann.

Das zeichnet Achtsamkeit in der Führung aus

Achtsame Führungskräfte agieren nachhaltig, wenn es ihnen gelingt, das Stresslevel bei der Arbeit niedrig zu halten und die Produktivität im Team zu steigern. Dafür müssen sie ihren Mitarbeitern die Möglichkeit einräumen, sich auch bei der Arbeit mit ihren Emotionen beschäftigen zu können. Nur so kann man erlernen, auf die eigenen Gedanken zu achten und gleichzeitig für Entspannung im Alltag zu sorgen.

Ist das gegeben, kann Mindful Leadership (Achtsamkeit in der Führung) dafür sorgen, dass:

  • sich die Arbeitszufriedenheit und die Leistungsfähigkeit im Team verbessert,
  • eine positive Unternehmenskultur entsteht,
  • der Fokus auf dem Wesentlichen liegt,
  • jeder im Team seinen Job besser erledigt,
  • sich die Produktivität ohne hohe Stresslevel steigern lässt.

Stressbewältigung durch Meditation und Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR)

Immer mehr Unternehmen werden zudem selber aktiv und entwickeln eigene Mindfulness-Maßnahmen für ihre Führungskräfte. Durch Atemübungen vor Meetings oder Meditation nach Feierabend können Mitarbeiter gelassener und produktiver werden. Solche Programme dürfen jedoch nicht als bloße Alibis zur Steigerung der Leistung angesehen werden. Vielmehr sind Programme wie Search Inside Yourself oder Apps wie Headspace darauf ausgerichtet, die Aufmerksamkeit auf das Wohlbefinden jedes einzelnen Mitarbeiters zu erhöhen. Um positive Effekte zu erzielen, reichen schon 10 bis 15 Minuten Achtsamkeitsübungen pro Tag – wie Harvard-Wissenschaftler in einer Studie herausfanden.

Sie untersuchten dafür die Teilnehmer von Achtsamkeitstrainings vor dem Kurs und danach. Dabei fanden sie heraus, dass sich die Struktur der grauen Substanz im Hippocampus – einem Hirnbereich, der für Gedächtnis, Lernprozesse und Emotionsregulation zuständig ist – verstärkt hatte. In der Amygdala – dem Teil im Gehirn, der unseren Körper in Alarmbereitschaft versetzt und bei Gefahr dafür sorgt, dass wir kämpfen oder weglaufen – hatte sich diese Substanz einhergehend mit dem reduzierten Stressempfinden verkleinert.

Lässt sich durch Apps das Wohlbefinden der Mitarbeiter verbessern?

Laut Angaben der American Psychological Association, dem weltgrößten Psychologenverband, geben 65 Prozent der US-Amerikaner an, dass sie durch Arbeit oft gestresst sind. Dies führt zu Fehlzeiten und verminderter Produktivität und die US-Industrie schätzungsweise mehr als 300 Milliarden Dollar pro Jahr kostet. Auch andernorts ergibt sich ein ähnliches Bild. In Großbritannien kosten Stress und schlechte geistige Gesundheit die Wirtschaft jährlich 40 Milliarden Dollar. Für alle 28 Staaten der Europäischen Union (EU) belaufen sich die Ausfall-Kosten der Wirtschaft durch psychische Erkrankungen derzeit auf rund 600 Milliarden Euro pro Jahr.

Ob sich dem etwas entgegensetzen lässt, haben Google und Roche, das größte Pharmaunternehmen der Welt, in einer von der Universität Oxford durchgeführten Studie untersuchen lassen. Anhand derer sollte geklärt werden, ob sich die Nutzung der Meditationsapp Headspace mit den Vorteilen eines intensiveren Achtsamkeitstrainings in Verbindung bringen lässt und es dabei positive Auswirkungen auf psychologische und arbeitsplatzbezogene Ergebnisse gibt.

Dafür nahmen 283 Mitarbeiter von Google und Roche acht Wochen lang an der sogenannten Headspace-Studie teil.

Die Ergebnisse klingen vielversprechend:

Nach den acht Wochen ließ sich durch Achtsamkeit eine Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens der Mitarbeiter feststellen. Die Depressionssymptome sanken nachweislich um 46 Prozent und ihre Ängstlichkeitssymptome um 31 Prozent. Es lässt sich also feststellen, dass Achtsamkeitsmeditation die Produktivität der Mitarbeiter steigern und gleichzeitig Stress, Krankheit und Abwesenheit im Laufe der Zeit reduzieren kann.