Festzuhalten ist zunächst einmal, dass der Großteil der eingereichten Rechnungen anstandslos von der privaten Krankenversicherung bezahlt wird.
Es verbleiben folglich die Fälle, in denen der Versicherer eben nicht so einfach auszahlt oder kürzt. Die werden dann von Seiten der Medien und der Versicherungsnehmer naturgemäß verstärkt wahrgenommen. Die Normalität stellen sie grundsätzlich nicht dar. Es verhält sich auch hier so, dass die Ausnahme in den Fokus rückt und nicht das normale Geschehen. Es wird nicht wahrgenommen, dass Millionen PKV Abrechnungseuro ohne Zwischenfall (also ohne Leistungsstörungen) verkehren, sondern der Massenunfall auf einer Autobahn mit 20 Fahrzeugen.
Anders als in der gesetzlichen Krankenversicherung, wird in der privaten Krankenversicherung ein Vertrag geschlossen. Die Rechte und Pflichten aus diesem Vertragsverhältnis ergeben sich zunächst aus § 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG):
Der Versicherer verpflichtet sich mit dem Versicherungsvertrag, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, an den Versicherer die vereinbarte Zahlung (Prämie) zu leisten.
Hier wird schon klar, dass nicht alle Behandlungskosten übernommen werden, sondern lediglich die Kosten, die vertraglich vereinbart wurden. Diese vertraglichen Vereinbarungen finden sich in den Versicherungsbedingungen, die für jeden Tarif anders lauten.
Merke: Gezahlt wird nur das an Leistung, was mit den Versicherungs- und Tarifbedingungen gekauft wird.
Bei der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen durch Versicherte der privaten Krankenversicherung kann es auch zu Interpretationen kommen.
Folgende typische (nicht abschließend aufgeführte) Fälle können Leistungsstörungen auslösen:
I. Einwand der fehlenden medizinischen Notwendigkeit
Ein möglicher auftretender Einwand der Versicherungen ist es, die Behandlung sei nicht medizinisch notwendig gewesen. Da der Versicherungsnehmer zunächst die Beweislast trägt, stellt die Begründung dieser Notwendigkeit für ihn ein Problem dar. Er muss sich zunächst auf seinen behandelnden Arzt/seine behandelnde Ärztin verlassen.
Grundsätzlich skizziert sich die Problematik in aller Kürze wie folgt:
Die Versicherung schuldet dem Patienten/der Patientin aus dem Krankenversicherungsvertrag die Erstattung der Kosten für die medizinisch notwendige Heilbehandlung. Medizinisch notwendig ist nach dem BGH (Az: IV ZR 278/01) eine Behandlungsmethode dann anzusehen, „wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen im Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war, sie als medizinisch notwendig anzusehen“.
Diese Aussage macht den Leser noch nicht viel schlauer – allerdings ist damit klargestellt, dass es bei der Beurteilung nur auf medizinische Gesichtspunkte ankommt und nicht etwa auf kostentechnische Aspekte. Ausdrücklich ist der Versicherte nicht auf die kostengünstigste Behandlung beschränkt.
Eine Ablehnung der Erstattung mit der Begründung, die Behandlung sei nicht medizinisch notwendig, ist demnach nur möglich, wenn sich die Versicherung mit den genauen medizinischen Aspekten der Behandlung auseinandergesetzt hat.
Diese Bewertung kann nur von einem Arzt/einer Ärztin bzw. einem/einer medizinischen Sachverständigen vorgenommen werden.
Verweigerung der Zahlung:
Eine Verweigerung der Zahlung stellt zunächst einmal die Einschätzung des/der behandelnden Arztes/Ärztin in Frage. Diese muss die Versicherung widerlegen. Denn eine Nichterstattung kann nur dann vertragsgemäß sein, wenn
- 1. eine Übermaßbehandlung durchgeführt wurde, folglich über das medizinische Notwendige hinaus
- 2. die Behandlung nach objektiven Maßstäben gar nicht zum Behandlungserfolg führen konnte
- 3. keine Krankheit vorgelegen hat
Wenn eine Ablehnung der Erstattung bereits ausgesprochen wird, bevor nähere Informationen (,die die Entscheidung des/der behandelnden Arztes/Ärztin beeinflusst haben,) von der Versicherung eingeholt wurden, könnten Bedenken an der Richtigkeit der Entscheidung des Versicherers bestehen.
In diesem Fall sollte die Versicherung erneut zur Erstattung der Kosten aufgefordert werden. Hierbei könnte auch § 14 VVG Abs. 2 beachtet werden.
§ 14 VVG Abs. 2
Sind diese Erhebungen nicht bis zum Ablauf eines Monats seit der Anzeige des Versicherungsfalles beendet, kann der Versicherungsnehmer Abschlagszahlungen in Höhe des Betrags verlangen, den der Versicherer voraussichtlich mindestens zu zahlen hat. Der Lauf der Frist ist gehemmt, solange die Erhebungen infolge eines Verschuldens des Versicherungsnehmers nicht beendet werden können.
Hier ist jedoch zu beachten, dass die Zahlung ggf. unter Vorbehalt steht, wenn der Versicherer den Beweis nachliefert.
Sollte auch dann keine Zahlung erfolgen, empfiehlt es sich, einen Versicherungsberater oder einen Rechtsanwalt zu beauftragen, deren Kosten im Falle der erfolgreichen Durchsetzung von der Krankenversicherung zu tragen sind.
II. Obliegenheitsverletzungen
Die Ursache für derartige Leistungsstörungen liegt nun weniger am Versicherer als am Versicherungsnehmer. Das Grundübel besteht schlicht darin, dass viel zu wenig mit dem Versicherer kommuniziert wird.
Absehbare Versicherungsfälle (besonders z.B. Krankenhausaufenthalte, ambulante Psychotherapie, Rehabilitationen, Zahnersatzbehandlungen, Bezug teurer Hilfsmittel) sollten stets im Vorfeld mit dem Versicherer geklärt werden.
Man erhält in der Regel eine schriftliche Leistungszusage und Unklarheiten können ggf. noch mit dem Behandler/der Behandlerin und dem Versicherer geklärt werden, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist.
Typische Fälle:
Typische Fälle, bei denen der Versicherer meist zu Recht (da vertraglich vereinbart) seine Leistung kürzt oder verweigert, sind:
- 1. Behandlung in einer sog. gemischten Krankenanstalt ohne vorherige Leistungszusage
- 2. Fehlende vorherige schriftliche Leistungszusage für die Durchführung einer ambulanten Psychotherapie
- 3. Nichtvorlage eines Heil- und Kostenplans für zahnärztliche Behandlung (der Betrag, ab wann der HKP vorzulegen ist, kann je nach Vertrag variieren)
Die Rechtsfolge bei Nichtbeachtung der vertraglichen Obliegenheiten kann bis zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen.
Merke: Es kommt also stark darauf an, welcher Tarif, zu welchem Preis, mit welcher Leistungszusage gekauft wurde.
III. Vertragliche Ausschlüsse / Sublimits
Auch hier beruht eine Leistungskürzung meist auf mangelnder Kenntnis der genauen vertraglichen Regelungen.
Ein idealtypischer Fall findet sich im Hilfsmittelbezug. Versichert sind grundsätzlich nur die im Vertrag genannten Hilfsmittel, wie u.a. der BGH mit Urteil vom 19.5.2004 – IV ZR 176/03 bestätigte: „Die abschließende Aufzählung erstattungsfähiger Hilfsmittel in Nr. 2 d TB/KK zu § 4 Abs. 3 MB/KK ist wirksam (§§ 3, 5, 9 AGBG).“
Hierbei ist zu beachten, dass die Aufzählung für den Versicherungsnehmer klar und erkennbar abschließend formuliert werden muss. Im Zweifel könnte man sich an einen Versicherungsberater oder Rechtsanwalt wenden.
Teilweise sind versicherte Hilfsmittel mit einen Höchstbetrag versehen. Das ist z.B. bei Krankenfahrstühlen oder Hörgeräten nicht selten der Fall.
Bei einem Hilfsmittel sollte mindestens vor dem Bezug ein Blick in die Bedingungen geworfen werden. Rechtssicherer ist jedoch eine schriftliche Leistungszusage des Versicherers. Hierbei prüft der Versicherer auch gleich die medizinische Notwendigkeit, so dass es dazu später zu keinen bösen Überraschungen kommt.
Ein weiteres Beispiel stellen die vertraglich vereinbarten Preis- und Leistungsverzeichnisse (oft bei Zahntarifen eingesetzt) dar. An einer wirksamen Einbeziehung in den Vertrag besteht seit dem BGH-Urteil vom 18.1.2006 (Az. IV ZR 244/04) kein Zweifel mehr.
Eine nachträgliche Verwendung von Kostenverzeichnissen in einem laufenden Vertrag (bei Vertragsschluss waren keine Preis-Leistungsverzeichnisse vereinbart) ist jedoch nicht zulässig (BGH-Urteile vom 12.12.2007, Az. IV ZR 130/06 und 144/06). Diese Verzeichnisse sind für den Bereich der Heilmittelanwendungen und Zahntechnik vorgesehen. Auch hier richtet sich die Erstattung nach den Höchstpreisen. Der Versicherer ist weiterhin auch nur verpflichtet, die genannten Positionen zu regulieren.
Es empfiehlt sich, Preis- und Leistungsverzeichnisse dem Arzt/der Ärztin im Vorfeld einer Behandlung auszuhändigen. Als vertragliche Nebenleistung eines Behandlungsvertrages schuldet der Behandler/die Behandlerin eine wirtschaftliche Aufklärung des Patienten/der Patientin (§ 630 c Abs. 3 BGB), wenn er nach den Umständen anzunehmen hat, dass nicht alle Behandlungskosten durch Dritte (z.B. Versicherungsunternehmen) übernommen werden.
IV. Leistungskürzungen aufgrund von Urteilen
Obwohl dies üblicherweise einen Unterfall zu I. (medizinische Notwendigkeit) darstellt, soll es hier dennoch als eigener Punkt erwähnt werden. Zwar berufen sich viele Versicherer gerne auf derartige Urteile, übersehen und beachten jedoch nicht selten die Besonderheiten des Falles.
Als Beispiel kann ein recht junger Beschluss des BGH zur Hörgeräteversorgung herangezogen werden (Urteil vom 22. April 2015 · Az. IV ZR 419/13).
Im konkreten Fall hatte der Versicherer tatsächlich eine Übermaßversorgung für die konkrete Beeinträchtigung des Versicherungsnehmers schlüssig beweisen können. Der Verweis auf eine Hörgeräteerstattung in Höhe von 1.500 Euro (anstatt 3.083 Euro) war gerechtfertigt.
In diesem Fall hat der Versicherer zurecht den Einwand einer Übermaßversorgung (gemäß Punkt I. eine Versorgung über das Notwendige hinaus) erhoben. Keinesfalls ist damit jedoch eine Erstattungsgrenze des BGH für Hörgeräte gezogen worden.
Falls eine Zusage für eine Kostenerstattung für ein Hörgerät allein mit diesem Urteil verweigert oder auf diesen Betrag reduziert wird, sollte näher hingesehen werden und ein Versicherungsberater bzw. Rechtsanwalt zur Falleinschätzung befragt werden.
Wie wir bereits unter I. festgestellt haben, muss sich ein Versicherer sehr genau mit den medizinischen Einzelheiten auseinandersetzen und seine Entscheidung begründen. Ein pauschaler Hinweis auf ein Urteil stellt zumindest ein belastbares Indiz dar, dass dieser Verpflichtung nicht nachgekommen wurde.
V. Leistungskürzungen auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung oder Bundesbeihilfe
Leistungsstörung:
Ein Klassiker im Leistungsstörungsrecht, der vor allem in zwei Leistungsbereichen zu finden ist.
- 1. Der Versicherer kürzt seine Erstattung bei Heilmittelanwendungen auf die GOÄ oder Bundesbeihilfe gemäß Anlage 9 (zu § 23 Absatz 1) zu den Höchstbeträgen für beihilfefähige Aufwendungen für Heilmittel.
- 2. Der Versicherer kürzt seine Erstattung bei zahntechnischen Laborkosten mit der Begründung der fehlenden Angemessenheit.
Die Fallgestaltungen hier zu analysieren ist nicht möglich und für einen Versicherungsnehmer wenig hilfreich. Die Materie ist recht komplex und die
Rechtsprechung ist teils unterschiedlich. Eine obergerichtliche Rechtsprechung ist zur Thematik kaum zu finden.
Gerade in diesem Bereich kann sich jedoch ein genaues Hinterfragen lohnen. Hierbei sollte ein Rechtsdienstleister (Versicherungsberater oder Rechtsanwalt) zu Rate gezogen werden. Nicht selten kann man zumindest eine teilweise Korrektur und Nachzahlung erreichen.
Kein Versicherer schreibt in seinen Allgemeinen Versicherungsbedingungen, dass er jede Rechnung bis zu beliebigen Höhen bezahlen wird. Das würde auch den Beitrag enorm in die Höhe treiben. Allerdings sollte ein privater Krankenversicherer nicht den Maßstab der gesetzlichen Krankenversicherung heranziehen. Ein privat Versicherter kann mehr erwarten, wie auch das AG Frankfurt/ Main am 15.11.2001 unter dem Az. 32 C 2428/98-84 feststellte.
Zusammenfassung
Maßgeblich ist zunächst stets der vertraglich vereinbarte Leistungsinhalt im Tarif.
Man kann sich als Versicherungsnehmer vor unangenehmen Überraschungen in der Leistungsabrechnung nicht vollständig schützen. Ein paar einfache Verhaltensregeln reduzieren zumindest deren Wahrscheinlichkeit.
Verhaltensregeln:
- 1. Einholen schriftlicher Leistungszusagen bei planbaren stationären Aufenthalten, ebenso wie bei eher außergewöhnlichen Behandlungen (z.B. Psychotherapie).
- 2. Vorlage eines Heil- und Kostenplanes beim Versicherer bei höherwertigen Behandlungen, insbesondere bei Zahnersatz bzw. Implantaten.
- 3. Falls Preis- und Leistungsverzeichnisse vereinbart sind, sollten sie dem Behandler/der Behandlerin zur Kenntnis gebracht werden (z.B. Kopien).
- 4. Nutzen Sie die Servicecenter der Versicherer, z.B. bei Hilfsmittelbezug. Oftmals bestehen dort Rahmenverträge und die Hilfsmittel werden kostengünstiger bezogen. Neben einer klaren Leistungszusage kann durch ein solches Verhalten das Versichertenkollektiv unnötige Kosten vermeiden.
- 5. Denken Sie daran, dass eine vorherige schriftliche Leistungszusage zu Ihrem Vorteil ist (weil damit der Einwand der fehlenden medizinischen Notwendigkeit entfällt). Das wird leider oftmals in Fachmedien als Nachteil dargestellt.
Sollten Sie Zweifel an der Richtigkeit einer Leistungsabrechnung haben, wenden Sie sich an einen Rechtsdienstleister (Versicherungsberater oder Rechtsanwalt). Einige Fälle, in denen dies ratsam erscheint, haben oben Erwähnung gefunden.